Kindliche Provokationen
Eltern tun gut daran, die Provokationen ihrer Kinder nicht persönlich zu nehmen, dafür aber umso aufmerksamer auf die dahinter liegenden Frustrationen zu achten und ihre Kritik auch ernst zu nehmen. Wenn wir es verstehen, kompetent auf Provokationen zu reagieren, enthalten diese sehr viel Potenzial, Konflikte zu bereinigen und Vertrauen wiederherzustellen. Kinder haben ein Gespür für unsere Schwächen. Je mehr wir versuchen, sie zu vertuschen, umso stärker rütteln sie daran. Da hilft nur eines: Ehrliches Bemühen und Authentizität. In manch schmerzlichen Erfahrungen spüren wir am deutlichsten, wie sehr Liebe und Respekt zusammen gehören – für beide Seiten.
Wenn Tim droht
Die Mutter ist besorgt, weil der 5-Jährige Tim, sonst ein lieber Junge, sich das Öfteren im Ton vergreift. Wenn er nicht bekommt was er will, fängt er an zu drohen und manchmal schreitet er sogar zur Tat: „Dann mache ich dir den Teller kaputt!“ oder „ Dann haue ich dir den Kachelofen zusammen!“ Die Mutter will den Konflikt nicht verschärfen. Sie ignoriert seine Aussage und lenkt ab. Ein anderes Mal erklärt sie ihm die Notwendigkeit der Dinge, und dass Kaputtmachen nicht die richtige Lösung sei. Dennoch lässt Tim nicht ab von seiner Unart.
Kindlicher Machtkampf
Wo ist das Problem? Mit seinen Drohungen will Tim auf kindliche Art wissen, wie weit er gehen und wie viel Macht er ausüben kann. Er lässt sozusagen,psychologisch gesehen, seine „Muskeln spielen“. Zwar kann das geduldige und standhafte Verhalten der Mutter den Konflikt entschärfen, aber es ist mühsam und irritierend. Wenn Eltern um des Friedens willen nachgeben und sich unterwerfen, kann ein Kind sogar echte Verhaltensstörungen entwickeln.
Warum Erklärungen nicht ausreichen.
Was ist zu tun? Ignorieren oder Erklärungen geben reicht nicht aus. Die Mutter darf sich nicht scheuen, die Sache auf den Punkt zu bringen und das Problem dort anzusprechen, wo der Knackpunkt liegt: Auf der Ebene des Respekts. Tim muss wissen: Drohungen sind nicht OK. Kinder dürfen ihren Eltern nicht drohen (umgekehrt aber bitte auch nicht). Die Sache auf den Punkt bringen. Daher ändert die Mutter ihre Taktik und fragt bei nächster Gelegenheit ernst: „Du drohst mir?“ Tim ist sprachlos und gibt kleinlaut bei: „Nein.“ Damit ist der Konflikt erledigt. Ein anderes Mal sagte die Mutter entschlossen: „Du drohst mir nicht! Komm, wir gehen Zähneputzen!“ und es gab keine Widerrede mehr. Tim hat kapiert und droht nicht mehr.
Oft scheuen sich Eltern, Dinge direkt anzusprechen, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass dies ein Machtspielchen ist oder weil sie die Auseinandersetzung scheuen. Manche meinen, das Kind verstehe es noch nicht. Das ist eine Fehleinschätzung. Durch seine Inszenierung beweist Tim, dass er sehr wohl versteht, auf kindliche Art – intuitiv und unbewusst. Kinder wollen sich durchsetzen und wissen, wie weit sie gehen können. Eltern müssen sie in ihre Schranken weisen – verständnis- und liebevoll.
Mag. Maria Neuberger-Schmidt, www.elternwerkstatt.at